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Wachstumschancengesetz: Umfangreiche Steueränderungen

geschrieben am09. Oktober 2023

Zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause hat das Bundesfinanzministerium am 17. Juli 2023 den Referentenentwurf für ein „Wachstumschancengesetz“ veröffentlicht. Mit dem „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ soll die Liquiditätssituation der Unternehmen verbessert und die Investitionstätigkeit angekurbelt werden. Zudem soll das Steuersystem vereinfacht und Bürokratie abgebaut werden. Die Anhebung von Schwellenwerten und Pauschalen soll vor allem kleine Betriebe von Bürokratie entlasten.

Wie ein Jahressteuergesetz enthält der 279 Seiten umfassende Entwurf des Wachstumschancen­gesetzes eine Vielzahl von Änderungen in verschiedenen Steuergesetzen. Viele der geplanten Regelungen sollen ab 2024 gelten, einige auch erst später. Welche der Änderungen jedoch tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Bundestag und Bundesrat werden sich ab September näher mit dem Gesetzentwurf beschäftigen. Mit einer Beschlussfassung ist voraussichtlich erst im November bzw. Dezember zu rechnen.

Zu den geplanten Änderungen für den unternehmerischen Bereich gehören:

Steuerpflichtige mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder Land- und Forstwirtschaft können bei der Anschaffung oder Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten von mindestens 10.000 Euro je Wirtschaftsgut, die dazu beitragen, die Energieeffizienz des Unternehmens zu verbessern, eine Investitionsprämie in Höhe von 15 Prozent erhalten. Maximal gefördert werden Investitionen von 200 Millionen Euro und es sollen im Förderzeitraum maximal zwei Anträge gestellt werden können.

Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für sogenannte geringwertige Wirtschaftsgüter können im Jahr der Anschaffung vollständig abgezogen werden. Geringwertige Wirtschaftsgüter sind Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis 800 Euro ohne Umsatzsteuer. Dieser Wert soll auf 1.000 Euro angehoben werden.

Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von mehr als 250 Euro aber höchstens 1.000 Euro können in einen Sammelposten eingestellt werden, der über 5 Jahre mit jährlich 20 Prozent aufzulösen ist. Unabhängig von der tatsächlichen Nutzungsdauer sind damit alle Wirtschaftsgüter im Sammelposten nach 5 Jahren komplett abgeschrieben. Hier sieht der Gesetzentwurf eine Anhebung des Grenzwertes auf 5.000 Euro und eine Verkürzung der Dauer der Auflösung des Sammelpostens auf 3 Jahre vor.

Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mit einem Jahresgewinn von maximal 200.000 Euro dürfen von den Investitionskosten in bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlage­vermögens derzeit neben der planmäßigen Jahresabschreibung im Jahr der Anschaffung und den 4 Folgejahren  eine Sonderabschreibung in Höhe von insgesamt 20 Prozent geltend machen. Der Abschreibungssatz soll auf 50 Prozent erhöht werden.

Aufwendungen für Geschenke an Geschäftspartner dürfen nicht als Betriebsausgaben abgezo­gen werden, sofern sie insgesamt je Geschäftspartner 35 Euro im Jahr übersteigen. Diese Frei­grenze soll auf 50 Euro brutto angehoben werden.

Aufwendungen für maximal 2 Betriebsveranstaltungen pro Jahr sind kein Arbeitslohn, soweit sie je Arbeitnehmer 110 Euro nicht übersteigen. Dieser Freibetrag soll auf 150 Euro angehoben werden.

Die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbaren Pauschalen für Verpflegungs­mehraufwendungen bei Dienstreisen, Auswärtstätigkeit oder doppelter Haushaltsführung sollen angehoben werden: von 28 Euro auf 30 Euro bei mehrtägigen Dienstreisen und von 14 Euro auf 15 Euro für An- oder Abreisetage sowie Tage mit mehr als 8-stündiger Abwesenheit von der Wohnung oder ersten Tätigkeitsstätte.

Bisher können Unternehmen mit Umsätzen bis 600.000 Euro beantragen, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (sogenannte Ist-Besteuerung) und nicht nach vereinbarten Entgelten (sogenannte Soll-Besteuerung) zu berechnen. Diese Umsatzgrenze soll auf 800.000 Euro angehoben werden.

Der Durchschnittssteuersatz und die Vorsteuerpauschale für Land- und Forstwirte sollen von 9 Prozent auf 8,4 Prozent sinken. Damit kann es im Einzelfall sinnvoll sein, zur umsatzsteuer­lichen Regelbesteuerung zu optieren, wenn umfangreich investiert wird und damit ein hoher Vorsteuerabzug möglich wird.

 

Zu den geplanten Änderungen im Bereich der Einkommensteuer gehören:

Wer Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung von weniger als 1.000 Euro im Jahr erzielt, soll diese nicht mehr versteuern müssen. Sofern die damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Ausgaben jedoch die Einnahmen übersteigen, soll es möglich sein, die Besteuerung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu beantragen, sodass sich die Verluste steuerlich auswirken können.

Wer Verluste erzielt, kann diese in die beiden vorangegangenen Jahre zurücktragen und mit den positiven Einkünften der Vorjahre saldieren. Dieser Verlustrücktrag soll auf 3 Jahre erweitert werden.

Private Veräußerungsgewinne, z. B. aus der Veräußerung von Antiquitäten oder Immobilien, sind steuerpflichtig, sofern nicht bestimmte Haltefristen beachtet werden. Sie bleiben steuerfrei, sofern der Veräußerungsgewinn unter 600 Euro liegt. Diese Freigrenze soll auf 1.000 Euro angehoben werden.

Die als Entlastung für die hohen Erdgaskosten an Verbraucher gezahlte sogenannte Dezemberhilfe 2022 soll nun doch nicht besteuert werden.

Mit dem Alterseinkünftegesetz startete im Jahr 2005 der allmähliche Übergang zur nachgela­gerten Besteuerung bei Renteneinkünften. Das bedeutet, dass der Anteil der steuerpflichtigen Renten sukzessive ansteigt und gleichzeitig auch der Teil der als Sonderausgaben abziehbaren Rentenversicherungsbeiträge. Anders als ursprünglich geplant sind die Rentenversicherungsbeiträge seit 2023 und damit zwei Jahre früher bis zu einem Höchstbetrag komplett abziehbar. Ab 2040 sollten dann die Renten zu 100 % besteuert werden. Der Anstieg des steuerpflichtigen Rentenanteils auf 100 % sowie das Abschmelzen des Versorgungsfreibetrags für Pensionen und des Altersentlastungsbetrags bis auf 0 Euro soll nunmehr hinausgezögert werden, sodass erst ab dem Renteneintrittsjahrgang 2058 die Renten und Pensionen zu 100 % besteuert werden.